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Im Land des Adlers - Eine
Naturgeschichte Nordamerikas
Leseprobe:
An einem warmen Frühlingstag im
Jahre 1832 verliess der amerikanische Künstler George Catlin einen
geschäftigen Handelsposten im heutigen Süd-Dakota und wanderte zu
einem nahegelegenen baumgekrönten Hügel. In alle Richtungen
erstreckte sich das sanfte Grün des Prärie bis zum Horizont.
Wiesenstärlinge, gerade aus ihrem Winterquartier in Texas
zurückgekehrt, sangen im Licht der Morgensonne, Bienen bewegten sich
summend zwischen den Myriaden von Prärieblumen. Ein oder zwei Moskitos
surrten am Ohr des Malers, und eine sanfte Brise brachte den Duft von Erde,
Gras und Morgentau mit sich. Catlin setzte sich bequem hin und entfaltete eine
Karte von Nordamerika, die er aus der Tasche seiner locker sitzenden Lederjacke
zog. |
Mit seinem farbbeschmutzten Finger
verfolgte er langsam den Weg, den er von Philadelphia aus zurückgelegt
hatte und rief sich die verschiedenen Stationen ins Gedächtnis
zurück. Er fand Fort Pierre und suchte dann die Karte nach den wenigen
anderen Aussenposten weisser Besiedlung ab: Fort Union, Fort Mandan und Fort
Laramie. |
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Er hoffte, an diesen noch weiter westlich
gelegenen Orten und unter den Indianern, über deren Land sie verstreut
waren, eine Zeit lang leben zu können. Catlin war eigens in den Westen
gekommen, um die Indianer kennenzulernen und ihr freies und wildes Leben zu
dokumentieren. Aber an diesem Morgen stand ihm der Sinn nach Höherem.
Catlin war aufgebrochen, etwas zu erschaffen, das er selbst eine Träumerei
oder innere Vision über den Kontinent nannte, die seine Erfahrung in einen
grösseren geographischen und historischen Zusammenhang stellen sollte.
Indem ich alle anderen Dinge auf der Welt aus meinen Gedanken ausschloss,
gelang es mir bald, die gewünschte Illusion zu erzeugen. Diese kleine
Karte, über die ich mich beugte, stellte in allen Teilen nichts als die
grüne und lebendige Realität dar. Ich wurde hinaufgetragen durch ein
imaginäres Flügelpaar, welches mich mit Leichtigkeit aufhob und mich
in der Luft schweben liess, von wo aus ich unter mir den Pazifik und den
Atlantik erblicken konnte - die grossen Städte im Osten und die
mächtigen Ströme. |
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Ich konnte die blaue Kette der Grossen
Seen im Norden sehen ebenso wie die Rocky Mountains, und unterhalb von ihnen,
zu ihren Füssen, die unermesslichen und scheinbar grenzenlosen Grasebenen,
die mit Gruppen grasender Büffel gesprenkelt waren. |
Als Catlin sein Luftbild von der Erde
weiter verfolgte, stellte er sich die Drehung der Erde unter ihm vor, aber er
fand nichts, was vergleichbar war mit "der westlichen Wildnis meines Landes".
Hier gab es Myriaden von Büffelherden, und anderes Wild zog frei herum.
Dutzende von Indianer-Stämmen, noch relativ frei vom Einfluss der weissen
Händler, die einem romantischen Leben nachgingen, manchmal dem Leben der
Menschheit vor dem Sündenfall vergleichbar. Catlin empfand ungeheure
Genugtuung bei dieser idyllischen Vision des Kontinents, doch als er seine
Gedanken durch die Zeit vorwärts spann, sah er ein ganz anderes und weit
weniger romantisches Amerika voraus. Mit unheimlicher Voraussicht stellte er
sich die Büffel vor, jene Symbole des Überflusses der Natur, die in
riesigen Kolonnen und Herden umherziehen, wie sie sich dann aber zerstreuen, um
Schutz vor der gewaltsamen Vernichtung durch Menschenhand zu suchen. Wenn nicht
etwas unternommen werde, um dies zu verhindern, warnte Catlin, könnte
Amerika eines Tages nicht nur den Büffel, sondern auch viele der anderen
Naturressourcen an die unersättliche Habgier seiner neuen Bewohner
verlieren. |
Die Technologie der letzten Jahrzehnte
hat uns in die Lage versetzt, den Planeten Erde aus dem Weltraum zu betrachten,
fast so, wie es sich Catlin vor mehr als eineinhalb Jahrhundert vorgestellt
hatte. Viele seiner Befürchtungen sind Wahrheit geworden. |
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Wie er voraussah, sind grosse Teile des
Landes unwiderruflich verändert worden durch "die tödliche Axt und
die verwüstenden Hände der Ackerbauern". Aber glücklicherweise
haben sich auch einige seiner Träume erfüllt. Auf vielen Millionen
Hektar geschützten Landes in den USA und Kanada sind wertvolle
Naturgebiete " in ihrer ursprünglichen Schönheit und Wildheit"
erhalten worden, gerade so, wie der Künstler es gehofft hatte. Die zwei
Seiten der Visionen von George Catlin sind auch das Herzstück dieses
Buches. Wie er können auch wir einige Schritte von diesem Kontinent
zurücktreten, um seine vielen Facetten aus der Perspektive von Zeit und
Raum zu betrachten. Mit Schilderungen aus dem Mund der Ureinwohner, mit solchen
aus der Feder der ersten europäischen Forschungsreisenden, der
Naturkundler, Maler, Schriftsteller und Pioniere untersuchen wir acht
Grossregionen vom Atlantischen Ozean bis zum Beringmeer und beschreiben diese
so, wie sie die verschiedenen Generationen von Menschen wahrgenommen und
verändert haben. (Robert McCracken Peck) |
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Nanook, der Eisbär, ist der unumstrittene Herrscher
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Entnommen aus dem Buch "Kanada nördlich des 60.
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Neu erschienen: Unsere Welt in Gefahr – Klimawandel und Zivilisation
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