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Im Bannkreis des Nordens - Auf den Spuren der Entdecker in die faszinierenden Welten des Polarkreises

Leseprobe:

GRÖNLAND
In der traditionellen Inuit-Gesellschaft gab es nur wenig Menschen über 60 Jahre. Gemäss den Volkszählungen erreichten nur ein bis zwei Prozent der Bevölkerung - die meisten davon Frauen - dieses Alter. Wie Waisen, alleinstehende Frauen und Witwen mit eigenen Kindern wurden die Alten als Familienmitglieder in den Haushalt eines ihrer Robben-jagenden Söhne integriert und damit versorgt. Auf diese Weise entstand die Grossfamilie der Inuit. Wenn die Tranlampen ausgingen, die in den Winter-Langhäusern Licht und Wärme spendeten, bedeutete dies normalerweise den Tod durch Erfrieren für die Bewohner. Manchmal löschte man die Lampen allerdings auch absichtlich, um den erforderlichen emotionalen Rahmen für das sogenannte "Spiel der erloschenen Lampen" zu schaffen, zu dem auch Besucher anderer Grossfamilien eingeladen wurden, um Inzest und dessen Folgen vorzubeugen sowie die Blutsbande auszuweiten. In diesem Spiel konnte jeder einen Partner zum Geschlechtsverkehr frei wählen. Durch ihre Teilnahme hatten fruchtbare, aber unverheiratete und verheiratete Frauen, die von ihren Männern nicht geschwängert wurden, die Möglichkeit, ihre Fruchtbarkeit in den Dienst dieser so kleinen Gesellschaft zu stellen, in der es dringend erforderlich war, für möglichst zahlreichen Nachwuchs (als zukünftige Jäger) zu sorgen.

Wenn die Lichter wieder angingen, war alles wieder wie vorher, und die Kinder, die als Folge dieses Spiels geboren wurden, galten nicht nur als die Kinder des Ehemannes der jeweiligen Mutter, sondern wurden alle auch als Geschwister angesehen. Natürlich gab es im präkolonialen Grönland auch Eifersucht, doch unterschied sich diese von den Gefühlen, die man aus der romantischen Literatur des Westens kennt.

Wenn eine Frau ihren Ehemann ohne sein Wissen betrog, durfte dieser eifersüchtig sein und hatte auch das Recht, seine Frau zu bestrafen. Wenn andererseits jemand als Besucher in sein Haus kam, bot der Ehemann dem Gast aus Höflichkeit manchmal auch seine Frau für die Nacht an. Ein Jäger und seine Frau teilten nicht nur ihre Sexualität, sondern gestalteten auch ihren Alltag arbeitsteilig. Zu den Aufgaben der Frau gehörte das Nähen und Ausbessern der Fellkleidung. Plante ein Jäger, für längere Zeit auf die Jagd zu gehen und hatte keine eigene Frau, oder eine schwangere oder kranke Ehefrau, befand er sich in ernsthaften Schwierigkeiten. Unter diesen Umständen war es nicht unüblich, die körperlich fittere Ehefrau eines seiner Freunde für die Dauer der Expedition auszuleihen. Wurde seine Begleiterin während dieser Zeit schwanger, galt der Abkömmling als Kind ihres offiziellen Ehemannes. Die traditionelle grönländische Gesellschaft kannte keine öffentliche Institution, die das Miteinander regelte. Ohne Zweifel besassen die fähigsten Robbenjäger, insbesondere die Älteren unter ihnen, grosse moralische Autorität in ihren Ansiedlungen. Es existierte jedoch weder ein formelles Rechtssystem noch eine offizielle Autorität, die Strafen verhängen konnte. Jede Person war sozusagen der oberste Richter über das, was sie als eine nicht zu tolerierende Verletzung ihrer persönlichen Rechte erachtete. Manchmal führte das Fehlen einer öffentlichen Instanz zu Vergeltungsakten und lang andauernden Blutfehden. Bei den grossen Festen wurde in solchen Fällen der berühmte "drum song" (ein Trommellied) gesungen, bei dem die beiden Opponenten teilweise sehr beleidigend über den anderen herzogen und so versuchten, ihr Gegenüber in den Augen der vielen Zuschauer lächerlich zu machen.

Wenn alles gut lief, konnte dieses Ventil die Spannungen zwischen den beiden früheren Feinden abbauen. Wenn nicht, konnte sich der Konflikt so zuspitzen, dass er entweder gewaltsam beendet werden musste oder gar dass einer der beiden Opponenten zum Schicksal des qivittoq verurteilt wurde.
(Ole Marquardt + Jens-Christian Manniche)

KANADA Ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts veränderte sich allmählich die Motivation für die Erforschung des nordöstlichen Kanada. Die Suche nach der Nordwest-passage verlor damals an Bedeutung, denn die Hoffnung, Edelmetalle zu finden, war immer wieder enttäuscht worden, und so rückte der Pelzhandel stärker in den Vordergrund. Er war die Basis für die Erforschung und Erschliessung des Nordens. Begonnen hatte alles mit den ersten Kontakten zu den Ureinwohnern. Mindestens hundert Jahre vor Champlains Gründung von Québec im Jahre 1608 waren französische Fischer über den Atlantik gekommen und hatten ihr schmales Einkommen durch den Pelzhandel mit den Indianern am St.-Lorenz-Golf aufgebessert. Die Pelze wurden in Frankreich zu Jacken und Hosen verarbeitet oder als Verbrämung verwendet, aber vor allem entstand in Europa bald eine grosse Nachfrage nach Biberfellen zur Herstellung von Hüten. Bis in die jüngste Vergangenheit trug jeder Europäer, der es sich leisten konnte, einen Hut, sobald er das Haus verliess. Die Hüte wurden aus Filz gefertigt, und das Material, das sich am besten dazu eignete, war das warme Unterfell des kanadischen Bibers. Es ist weich und kann wegen kleiner Widerhaken auf den Haaren zu einem robusten und doch formbaren Stoff verarbeitet werden, der ausgezeichnete Hüte ermöglicht. Der Pelzhandel blieb für die ersten zwei Jahrhunderte nach der Gründung Québecs die Grundlage einer sich entwickelnden kanadischen Wirtschaft, obgleich er im gesamten Handelsvolumen mit Frankreich, und später mit England, keine so bedeutende Rolle spielte. Ursprünglich war er auf das Tal des St.-Lorenz-Stroms und das Gebiet der Grossen Seen beschränkt, doch die Nachfrage nach Biberfellen wurde so gross, dass es nicht lange dauerte, bis sich französische Trapper auf der Suche nach neuen Handelsmöglichkeiten mit den Indianern weiter in Richtung Norden und Westen aufmachten.

Die jungen Männer wurden von den Farmen an den Ufern des St.-Lorenz-Stroms weggelockt, um als coureurs de bois (Waldläufer) ihr Glück zu suchen. Diese Konzentration auf den Pelzhandel auf Kosten der Landwirtschaft war nur ein Grund für das spärliche Wachstum Québecs, die geringe Zuwanderung aus Frankreich ein weiterer.

1759, kurz vor der Eroberung der Stadt durch die Engländer, erstreckte sich das französische Handelsimperium in Nordamerika von Akadien im Osten bis nach New Orleans im Süden, von der Hudson Bay im Norden bis ins heutige Saskatchewan im Westen - und doch war dieses Imperium mit 65.000 Einwohnern nur sehr dünn besiedelt, während die Bevölkerungszahl der englischen Kolonien südlich von Québec zwanzig Mal grösser war. Während die französischen Pelzhändler mehr oder wenig unabhängig waren, begann mit der Gründung der Hudson's Bay Company ein moderneres Handelskonzept. Sie orientierte sich auch wesentlich stärker nach Norden . Der eigentliche Impuls für die Gründung eines solchen Unternehmens ging von den Pelzhändlern Radisson und Des Groseilliers aus. Da der Biberbestand im Süden Kanadas aufgrund der intensiven Bejagung zurückging und die Biber des Nordens wegen ihres dickeren Fells ohnehin wertvoller waren, sollte sich der Handel ihrer Meinung nach auf das Gebiet um die Hudson Bay konzentrieren. Enttäuscht über die Reaktion der französischen Regierung auf ihre Vorschläge, gingen sie zu den Engländern, und in der Folge entstand im Jahre 1670 die Hudson's Bay Company mit ihrer königlichen Konzession für "Rupert's Land", welches das gesamte Wassereinzugsgebiet der Hudson Bay umfasste - sämtliche Gebiete Nordquébecs und Nordontarios, grosse Teile der (späteren) Provinzen Manitoba, Saskatchewan und Alberta, sowie einen erheblichen Teil der Nordwest-Territorien.
(William R. Morrison)

SIBIRIEN Der formale Beginn der russischen Expansion jenseits des Ural wird mit den 1580er Jahren, dem Feldzug Jermaks, angesetzt. In den Jahrhunderten davor hat es jedoch sporadische Jagdzüge von Nowgorod nach Nordostrussland und östlich des Urals gegeben, initiiert vom Fürstentum Nowgorod , das zu jener Zeit die dominierende Macht in Russland war.

Im späten 15. Jahrhundert übernahm das Fürstentum Moskau die Macht und die Territorien Nowgorods, und die Eroberung Kasans 1552 unter Iwan dem Schrecklichen öffnete endgültig den Weg nach Osten. Dort, im Süden des heutigen Westsibirien, entlang dem Fluss Irtysch, herrschte aber das Khanat von Sibir - ein türkisches Restreich aus der Mongolenzeit - dem die indigene Bevölkerung des Gebietes (vor allem Chanten und Mansen) tributpflichtig war. Die Initiative zum entscheidenden Feldzug unter Jermak ist eng mit dem Namen der Kaufmannsfamilie Stroganow verbunden. Diese siedelte westlich des Ural, handelte mit Salz und Pelzen und erhielt 1558 die Erlaubnis des Zaren, die Permer Region auszubeuten. Dadurch ergaben sich für die Stroganows die Waldgebiete im Osten als logisches Expansionsfeld ihrer wirtschaftlichen Interessen. Im Jahre 1581 wurde eine 840 Mann starke Kosakentruppe unter der Führung von Jermak Timofejewitsch gegen die westsibirischen Tataren (unter der Führung des grossen Kutschum) ausgesandt. Jermak und seine Truppen eroberten die Hauptstadt der Tataren, doch Jermak selbst fiel 1585 im Kampf. Da Kutschum am Leben blieb, war der Erfolg der Russen kein dauerhafter. Es dauerte Jahre bis Moskau eigene Truppen zur Etablierung seiner Macht nach Sibirien sandte und der letzte Widerstand der Tataren gebrochen werden konnte. Somit wurde die anfängliche private Angelegenheit der Stroganows und Jermaks allmählich zur Staatssache. In den darauffolgenden Jahren kam es zu einer raschen Festigung und Ausbreitung russischer Präsenz in Westsibirien, ausgedrückt unter anderem durch die Gründung von Tjumen (1586) und Tobolsk (1587). Tobolsk wurde zum administrativen Zentrum der neuen russischen Besitzungen, und von dort aus wurde die weitere Expansion den Ob flussabwärts gelenkt. Die 1601 erfolgte Gründung der am Fluss Tas gelegenen Siedlung Mangaseja erinnert wieder an die Versuche, eine Nordostpassage zu finden. Mangajesa war nämlich nicht nur auf dem Landweg aus dem Süden zu erreichen, sondern auch auf dem Seeweg über Nordeuropa. Während der Regentschaft von Zar Boris Godunow (1584-1604) geschah sehr viel für die Etablierung russischer Macht in Sibirien.

Es wurde die systematische Besiedlung und der Bau von befestigten Dörfern (ostrogi), die sowohl als militärische Anlagen wie auch als Kommunikationsstützpunkte dienten, vorangetrieben. Der Nordosten Sibiriens sowie der sogenannte Ferne Osten wurden in den Jahren von 1630-50 dem Russischen Reich einverleibt: 1632 wurde das heutige Jakutsk gegründet, 1648 Ochotsk und, nachdem Semjon Deschnew 1648 als erster Europäer die Nordostspitze Asiens umfahren hatte, wurde 1649 mit dem Fort Anadyrsk die erste russische Siedlung Tschukotkas angelegt.

Die unwahrscheinlich schnelle Ausbreitung ist in der Tat beachtlich. Sie war getrieben von der Gier nach Pelzen, vor allem nach dem Zobel, und wurde verkehrstechnisch durch die grossen von Süden nach Norden fliessenden Ströme Sibiriens ermöglicht. Die Kolonialisierung Sibiriens durch Russland wurde im 17. Jahrhundert hauptsächlich von den Dienstpflichtigen (sluschilye ljudi) und den Pelztierjägern (promyschlenniki) getragen. Der Terminus Dienstpflichtige umfasste zwei Bedeutungen: im weiten Sinn waren damit alle Vertreter der geistlichen, administrativen sowie der militärischen Macht gemeint; im engen Sinn nur letztere - "Bajorenkinder", Hundertschaftführer (sotniki), Atamane, Kosaken etc. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts werden statt dessen Begriffe wie Kosaken oder Kosakenregiment verwendet. Eben dieser militärische Teil der Dienstverpflichteten war es, der die ersten Informationen über die einheimische Bevölkerung Sibiriens lieferte. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die noch nicht tributpflichtigen Bevölkerungsgruppen zu unterwerfen und jährlich einmal den Tribut (jassak) einzukassieren. Dieser war eine Naturalabgabe, die seit der beginnenden Eroberung Sibiriens allen "entdeckten" Völkern abgerungen wurde, notfalls mit Waffengewalt. Diese Steuer, normalerweise in Pelzen beglichen, diente seit dem 16. Jahrhundert als wesentliche Einnahmequelle des Russischen Reiches. Ein wichtiges Mittel der Dienstpflichtigen, die Bevölkerung tributpflichtig zu machen, waren die amanaty (Geiseln), die von den Russen als Garantie der Untertänigkeit und der rechtzeitigen Steuerablieferung genommen wurden.
(Peter P. Schweitzer)

RUSSISCH-AMERIKA Die Gier nach dem "schwarzen Pelz" des Seeotters - und die Furcht vor möglichen Konkurrenten - war so stark ausgeprägt, dass die Schiffe in Ochotsk in grosser Eile mit Planken aus frisch geschlagenem Holz dürftig zusammen gezimmert wurden.

Sie verliessen Ochotsk normalerweise im Spätsommer, umrundeten Kamtschatkas Südspitze und ankerten vor den Kommandeur-Inseln, wo der folgende Winter mit der Jagd auf Seelöwen und Seehunde verbracht wurde. Im darauffolgenden Jahr segelten die promyschlenniki dann ostwärts zu den Aleuten, wo sie sich Erdhütten und Jurten aus Treibholz und Tierfellen bauten. Unter der aleutischen Bevölkerung nahmen sie sich Geiseln und zwangen diese, unter der Führung eines russischen Aufsehers, Seeotter mit dem Netz zu fangen oder mit dem Speer zu töten, Füchse zu erlegen und Pelzrobben zu erschlagen. Die Hälfte der Russen beteiligte sich ebenfalls an der Jagd mit baidarka genannten Booten aus Seekuhhäuten, in denen sechs bis acht Männer Platz hatten. Die andere Hälfte der Mannschaft bewachte das Schiff sowie das Lager und suchte nach pflanzlicher Nahrung. Doch der Einsatz der Aleuten mit ihren unvergleichlichen Fähigkeiten, den Seeotter mit Kajak und Speer zu jagen, war ausschlaggebend für den Erfolg solcher Unternehmungen. Da die Russen erfolglos versuchten, die Jagdtechniken dieser "Kosaken des Meeres" zu erlernen, wurden die unglückseligen Aleuten auf das brutalste ausgebeutet: Sie wurden versklavt, zwangsumgesiedelt, zu Naturalabgaben gezwungen, ihre Frauen sexuell missbraucht und mit ansteckenden Krankheiten wie Syphilis und Pocken infiziert. Die Russen brachten sie darüber hinaus in Kontakt mit süchtig machenden Genussgiften wie Tabak und Alkohol, und die orthodoxen Missionare schliesslich beraubten sie ihrer Kultur.
(James R. Gibson)

ALASKA Der Goldrausch in Alaska ereignete sich fast zeitgleich mit einem grundlegenden politischen und kulturellen Wandel der amerikanischen Politik, der sich seit der letzten Dekade im 19. Jahrhundert vollzog - Historiker bezeichnen diesen Zeitraum als "Ära des Fortschritts" - und die der Industrialisierung des späten 19. Jahrhunderts mit ihrer bis dahin nicht gekannten Konzentration von Unternehmenskapital einen Riegel vorzuschieben versuchte.

Während dieser Ära veränderte sich auch die Einstellung der Amerikaner zur Ausbeutung ihrer Rohstoffe. Die Auswirkungen dieses Wandels waren auch in Alaska zu spüren, wo der Guggenheim-Konzern sich anschickte, das Monopol über die hier im Norden reichlich vorhandenen Rohstoffe zu erlangen. Der Zeitpunkt für Guggenheims Investitionen in Alaska war damals nicht besonders glücklich gewählt. In Anbetracht der anti-monopolistischen Stimmung spiegelte sich die Sensibilität für politische und wirtschaftliche Chancengleichheit auch in den Kongressdebatten über neue Gesetze für Alaska wider. Das Delegierten-Gesetz von 1906 erwies sich für das Unternehmen als besonderer Nachteil, denn im Jahre 1908 bewarb sich ein sehr kompetenter und aggressiver Politiker mit Erfolg um diesen Posten - James Wickersham, ein früherer Republikaner aus dem Staat Washington, der im Jahre 1900 zum Richter in Alaska ernannt worden war. Wickersham kandidierte als Vertreter der Politik des Fortschritts, stellte sich gegen monopolistische Grossunternehmen und insbesondere gegen Guggenheim. Und er blieb für sechs Sitzungsperioden im Amt. Eines der von Wickersham 1912 im Kongress vorgebrachten Arguments für die Schaffung einer territorialen Gesetzgebung für Alaska war denn auch das Schreckensszenario für die Guggenheims. Als dann im Jahre 1913 die gesetzgebende Versammlung zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat, erwiesen sich ihre Vertreter als ebenso fortschrittlich wie ihre Kollegen in anderen Teilen Amerikas. Zwei Jahre später verwendete Wickersham dieselben Argumente für eine wahrhaftig einmalige Unternehmung zugunsten Alaskas - eine bundesstaatlich finanzierte und betriebene Eisenbahnlinie.

Die Trasse solle zwischen der Küste und dem Landesinneren verlaufen, und zwar von der kleinen Hafenstadt Seward auf der Kenai-Halbinsel bis zur Spitze der Cook-Bucht, dann entlang dem Susitna River und über den Broad-Pass und am Nenana entlang bis hinunter zum Tanana-Fluss, der mit einer Brücke überquert werden müsse, um dann weiter bis nach Fairbanks zu verlaufen.

Wickersham beharrte darauf, dass die Bahnverbindung bis tief ins Landesinnere für die Erschliessung Alaskas unbedingt erforderlich sei. In Anbetracht des ansonsten in Alaska wohl übermächtig werdenden Guggenheim-Konzerns stimmte die Kongressmehrheit seinen Vorschlägen zu und verabschiedete ein vorher noch nie dagewesenes Gesetz zum Bau und Betrieb einer bundesstaatlichen Eisenbahn für die Siedler Alaskas. Sie war bis zum Zweiten Weltkrieg in Betrieb, erzielte aber niemals Gewinne. Als mit der Trassenkonstruktion 1915 begonnen wurde, zogen viele Familien aus den westlichen Staaten der USA nach Alaska. Die Planer hatten dies erwartet und eine Kommission mit der Gründung der Stadt Anchorage beauftragt. Grundstücke zum Bau von Häusern wurden per Auktion versteigert, und bis zum Ende des Sommers 1915 war bereits ein Strassennetz angelegt sowie zahlreiche Häuser und Ladengeschäfte gebaut. Die Regierung stellte ausserdem Wasser, Kanalisation, Elektrizität, Telefone, eine Feuerwehr, ein Krankenhaus und ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung. Dieses alles war und ist bis heute ein einmaliger politischer Vorgang in Amerika. (Stephen Haycox)

DIE FRÜHGESCHICHTE DER POLARVÖLKER (zum Kapitel Alaska) Während der verschiedenen Eiszeiten der Erdgeschichte war in den kontinentalen Eiskappen so viel Wasser gebunden, dass die Meeresspiegel um 100 Meter und mehr abgesenkt wurden.

Grosse Bereiche des Kontinentalschelfs lagen frei, und viele Gebiete, die heute von Flachmeeren bedeckt sind, fielen trocken. Eine dieser Regionen lag zwischen der Tschuktschen-Halbinsel und Alaska und bildete damals die (heute so genannte) Bering-Landbrücke zwischen Asien und Amerika. Während dieser Zeit konnten sich Pflanzen und Tiere von dem einen in den anderen Kontinent hinein ausbreiten, und auch die ersten Menschen der Neuen Welt wanderten über diese "Beringia-Ebene". Der Zeitpunk der ersten menschlichen Besiedlung ist relativ ungewiss. Obwohl einige Archäologen behaupten, sie hätten menschliche Spuren in der Neuen Welt entdeckt, die 40000 Jahre oder älter sind, existieren eigentlich keine überzeugenden Belege zur Untermauerung dieser These. Es ist jedoch gesicherte Erkenntnis, dass eine breite Besiedlung des amerikanischen Kontinents vor ungefähr 11000 Jahren stattfand, und einige kürzlich entdeckte Fundstellen datieren mit 12000 bis 14000 Jahren noch weiter zurück. Die beweiskräftigste solcher frühen Siedlungsstätten wurde vor einigen Jahren in Monte Verde in Chile entdeckt, die von den Archäologen auf ein Alter von 12500 Jahren geschätzt wird. Da dieser Ort 16000 km von der Bering-Strasse entfernt liegt, muss dieses Volk wesentlich früher in Amerika angekommen sein....

Vermutlich zogen zahlreiche Gruppen sibirischer Jäger ostwärts durch Beringia, ohne zu wissen, dass sie ein bis dahin unbesiedeltes Gebiet entdeckt hatten. Zu den ersten Gruppen gehörten wahrscheinlich die Vorfahren des Volkes, das in Chile bereits vor 12500 Jahren gelebt hat.

Die meisten amerikanischen Indianervölker stammen von den mit den vorgenannten Gruppen in Beziehung stehenden Paläo-Indianern ab, die zu jener Zeit oder später das östliche Beringia durchquert haben und dann am Westrand der Gletscher, die den Grossteil des nördlichen Nordamerika bedeckten, in Richtung Süden zogen. Nur eine einzige Fundstätte in der nordamerikanischen Arktis is so alt, dass sie eine Siedlungsstätte dieser späteiszeitlichen Jäger gewesen sein mag - die Bluefish Caves, eine Aneinanderreihung von Höhlen am Fusse einer Kalksandsteinwand, etwas landeinwärts der arktischen Küste des Yukon. Archäologen entdeckten hier massive Ansammlungen von Säugetierknochen der späten Eiszeit. Dazwischen wurden behauene Steinwerkzeuge ähnlich denen sibirischer Jäger aus dieser Zeitperiode gefunden. Radiokarbon-Datierungen der Knochen legen die Vermutung nahe, dass vor ungefähr 12000 bis 15000 Jahren Menschen diese Höhlen als schützende Unterkunft und als Beobachtungsstand genutzt haben. In den noch tiefer gelegenen Höhlen entdeckte man sogar 20000 Jahre alte und ältere Tierskelette, an deren vereinzelten Einschnitten und Kerben man allerdings nicht ganz sicher auf Menschenhand schliessen kann. Auf jeden Fall belegen die Bluefish Caves, dass sich die späteiszeitlichen Jagdkulturen des Baikalsees und des Lena-Tals ostwärts durch den Nordwesten Nordamerikas ausgebreitet haben.
(Robert McGhee)

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Dickhornschafe können oft neben oder gar auf dem Icefields Parkway beobachtet werden.

Entnommen aus dem Buch "Abenteuer Kanada - Die Nationaparks Banff und Jasper".

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von Stephen Henighan, Kanada, mit einem Vorwort von Mojib Latif, Kiel

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